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Internet, Daten und Personalisierung: Die neuen Formen der Online-Werbung


Die Werbewelt hat in den letzten Jahren einen rasanten und tiefgreifenden Wandel erfahren. Das Internet und neue Technologien, Google und die Suchmaschinenwerbung, soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube oder Instagram haben zu grundlegend neuen Werbeformen geführt. Zeichneten sich die Anfänge der Werbung im Internet noch durch ruckelige Banner- und Pop-Up-Anzeigen aus, ist mittlerweile eine treffsichere, individualisierte Ansprache durch Werbeanzeigen möglich. Zentrales Kennzeichen der modernen Online-Werbung ist die Personalisierung. Mit ihr gelingt es, die Interessen, Vorlieben, Wünsche und Bedürfnisse potenzieller Kunden zielgerichtet anzusprechen.

 

In der im Auftrag der LPR Hessen durchgeführten Studie zur „Online-Werbung aus der Perspektive Jugendlicher“ (1) werden die wichtigsten Aspekte dieser neuen Werbeformen beschrieben. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche neuen Formen der Produktinformation, der Verkaufsförderung, Bekanntmachung und Imagepflege sowie des Anregens und Erzeugens von Handlungen, Gefühlen und Gedanken gegenwärtig beobachtet werden können. Zur Beantwortung dieser Frage werden in der Studie zentrale Formen der Online-Werbung identifiziert.

Zentrale Formen der Online-Werbung

Ein wichtiger Aspekt der Online-Werbung ist das Targeting. Der Begriff Targeting kann in diesem Kontext mit „Zielgruppenansprache“ übersetzt werden: Es geht um das gezielte Einblenden von Werbeanzeigen auf Internetseiten. Jedes Targeting setzt demnach eine genaue Definition der Zielgruppen voraus. Denn wenn die Empfänger der Werbebotschaften nicht klar definiert werden, kann die Werbung auch nicht treffsicher ausgespielt werden. Grundsätzlich gilt: je genauer die Zielgruppe gefasst werden kann, desto feiner kann das Targeting erfolgen. Das Targeting basiert häufig auf der Verwendung von Cookies. Mit ihrer Hilfe beziehen Werbetreibende nützliche Informationen über die Internetnutzer (z. B. Surf- und Shoppingverhalten) und können auf dieser Basis passende Werbung so platzieren, dass sie genau für diese Zielgruppe angezeigt wird. Die Grundlage für diese Form der Werbung bilden demnach Informationen über (mehr oder weniger stark anonymisierte) Personen oder Zielgruppen. Auf diese Informationen wird in Form von Personenprofilen zurückgegriffen, die von einer Vielzahl darauf spezialisierter Unternehmen erstellt werden.


Für die Online-Werbung stehen verschiedene Targeting-Methoden zur Verfügung:

Contextual Targeting
Diese Werbeform zielt darauf, zu den Inhalten einer Webseite passende Werbung anzuzeigen. Voraussetzung hierfür ist eine Analyse der Schlüsselbegriffe der entsprechenden Webseite und eine Passung mit spezifischer Werbung. Beispielsweise wird die Werbeanzeige eines Hundefutterherstellers in einem Online-Hundemagazin eingeblendet, da davon auszugehen ist, dass die Nutzer dieser Seite meist Hundebesitzer sind.

Retargeting
„Beim Retargeting werden unter Verwendung von Cookies Informationen wie Produktklicks oder Besuche des einzelnen Nutzers auf anderen Webseiten registriert und an einen Ad-Server übergeben, der die Auslieferung von Werbeanzeigen in Echtzeit koordiniert. Besucht ein Nutzer eine andere Webseite, die vom Ad-Server beliefert wird, werden ihm passende Werbeangebote eingeblendet. Diese beinhalten Produkte, für die sich der Nutzer bereits interessiert hat“ (Hünermann 2015, S. 182). Ziel des Verfahrens ist es, einen Nutzer, der bereits Interesse für ein Produkt gezeigt hat, erneut mit Werbung für dieses Produkt zu konfrontieren. Dadurch kann die Werbung für den Nutzer auffälliger werden und zu einer erhöhten Verkaufsrate führen.

Pretargeting
Pretargeting ist im Gegensatz zu Retargeting die Ansprache des Nutzers, indem ihm Produkte angeboten werden, von denen er noch nicht weiß, dass er Bedarf danach hat. Dabei werden Nutzer mit Hilfe von Cookies und Algorithmen nach ihrem Surfverhalten und ihren demographischen Daten analysiert. Daraus werden mögliche Kaufabsichten erschlossen und passend dazu Werbeanzeigen geschaltet. Besucht jemand z. B. eine Website für Babywindeln, können die Daten an Unternehmen weitergeleitet werden, die Kinderwagen verkaufen. Deren Werbeanzeige wird dann dem Nutzer angezeigt. Im Mittelpunkt dieser Werbeform stehen demnach wahrscheinliche, künftige Interessen des Nutzers. „Pretargeting versucht zu berechnen, welche Inhalte sich der Nutzer für die Zukunft wünscht oder was er als nächstes tun könnte“ (Hünermann 2015, S. 189).

Geotargeting
Diese Form der Werbung ermöglicht, dass regional unterschiedliche Werbung eingeblendet wird. Wählt sich bspw. ein Nutzer über den Einwahlknoten Frankfurt ins Internet, erhält er auch Werbung für die Region um Frankfurt. Auf dem Smartphone blendet z. B. Google Maps mit Hilfe der GPS-Standortdaten Werbung für Geschäfte oder Dienstleistungen ein, die sich jeweils im aktuellen Nahraum des Nutzers befinden.

Social-Media Targeting
In sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram ist eine Kombination aus allen bekannten Targeting-Formen zu beobachten. Werbetreibende erhalten vielfältige Möglichkeiten, um für genau definierte Ziel- und Personengruppen personalisierte Werbung zu schalten und auf diese Weise das Werbebudget optimal einzusetzen.

Weitere Werbeformen sind:

Referral Marketing
Als Referral Marketing (Empfehlungsmarketing) werden Werbeformen bezeichnet, bei dem Unternehmen die Bewertungen ihrer Kunden zur Bewerbung von Produkten nutzen. Die Kunden empfehlen ein angebotenes Produkt an Freunde oder Bekannte weiter und erhalten im Gegenzug oftmals eine Belohnung. Empfehlungsmarketing macht sich die Tatsache zunutze, dass die Mehrheit der Menschen Empfehlungen von Bekannten für die vertrauensvollste Quelle in Bezug auf Kaufentscheidungen halten. Referral Marketing wird off- und online eingesetzt, am häufigsten heutzutage online. Hierbei spielen auch die Empfehlungen von Social Media-Influencern und YouTube-Stars eine wichtige Rolle, die oft von Unternehmen für ihre Produktempfehlungen bezahlt werden. Auch die Likes von Nutzern können in einem sozialen Netzwerk für Empfehlungsmarketing genutzt werden: Unternehmen versuchen durch besonders witzige oder interessante Postings oder Tweets möglichst viele Nutzer zu einem Like zu motivieren, was dazu führt, dass der gelikte Beitrag – bspw. zu einem Produkt oder einer Marke – „Freunden“ oder Followern angezeigt wird. Der Beitrag des Unternehmens wirkt dann durch das Like eines Freundes wie eine persönliche Empfehlung.

Native Advertising
Diese Art der Online-Werbung ist hinsichtlich Form und Stil an den redaktionell erstellten Inhalten einer Webseite ausgerichtet, auf der sie angezeigt wird. Dies können „Erfahrungsberichte“ auf Blogs oder „Artikel“ in Online-Zeitungen sein, die von werbereibenden Unternehmen bezahlt sind. Die Charakterisierung als „native“ (native: einheimisch) betont den Zusammenhang und die Kohärenz von Werbung und redaktionellem Inhalt. Während beim Product Placement ein Produkt in einem spezifischen Kontext plaziert wird, wird beim Native Advertising eine Vermischung von Produktwerbung und redaktionellem Inhalt angestrebt. Neben Fragen des rechtlichen Status ist diese Form der Vermischung insbesondere für Kinder und Jugendliche schwer erkennbar, da sie oft nicht deutlich genug als Werbung gekennzeichnet wird.

Affiliate Advertising
Beim Affiliate Advertising (affiliate: angliedern, verbinden) handelt es sich um ein Provisionssystem, in dem ein Anbieter eines Produktes anderen ermöglicht, das Produkt z. B. auf dem eigenen Social Media-Kanal weiterzuempfehlen. Die Weiterempfehler erhalten einen individuellen Link zur Produktseite, mit dem gemessen werden kann, welche genauen Umsatzerfolge sich über diesen Link ergeben haben. Die Weiterempfehler erhalten schließlich eine vereinbarte Provision entsprechend der festgestellten Umsatzhöhe. Affiliate-Links gehören zum Geschäftsmodell einer Vielzahl von Influencern und YouTube-Stars und gelten als weit verbreitete Möglichkeit der Generierung von Einnahmen.

Real-Time Advertising
Real-Time Advertising ist eine besondere Form der Vermarktung von Werbeplätzen im Internet. Die Werbeplätze werden dabei über automatisierte Auktionen in Echtzeit verkauft. Inhaber von Werbefächen (z. B. Website-Betreiber) bieten ihre Flächen über spezielle Auktionsplattformen an, Werbeplatzsuchende (z. B. Werbeagenturen) geben hierfür Gebote ab. Der Bieter mit dem besten Gebot erhält schließlich den Werbeplatz. Sobald ein Besucher eine Website aufruft, wird automatisch ein Angebot für jeden freien Werbeplatz dieser Website an die Auktionsplattform gesendet. Zusammen mit dem Angebot werden auch Daten zum Profil des aktuellen Besuchers übermittelt, die mit Hilfe von Cookies erfasst werden (z. B. Daten zum Standort, zu bisher besuchten Websites etc.). Die Auktionsplattform leitet das Angebot inklusive Besucherprofil anschließend an alle Werbetreibenden weiter, die bei ihr angemeldet sind. Die Werbetreibenden entscheiden anhand des Besucherprofils, welche Werbeplätze sie erwerben. Dieser Prozess der Werbeplatzvergabe verläuft in kürzester Zeit automatisiert über ein algorithmengesteuertes Bietsystem.

Die erläuterten Werbeformen machen die zentrale Bedeutung von Daten für die Online-Werbung deutlich: Personalisierte Werbeangebote sind nur mit einer möglichst umfassenden und genauen Sammlung und Auswertung der Daten möglich, die die Internetnutzer mit ihrem Surfverhalten hinterlassen. Eine zentrale Rolle spielen hierbei Google und Facebook: Sie sammeln und analysieren die Daten ihrer Nutzer, um möglichst attraktive Werbeplätze verkaufen zu können. Auch bei vielen kostenlosen Apps gehört die Sammlung von Nutzerdaten zum Geschäftsmodell. Sie greifen auf zahlreiche Funktionen und Daten des Smartphones zu (Standort- und Bewegungsdaten, Kontakte, Kamera, Mikrofon oder Bilder), um diese verkaufen und kommerziell vermarkten zu können. Darüber hinaus ist ein profitables Feld neuer Dienstleister entstanden, die darauf spezialisiert sind, die gesammelten Daten auszuwerten und für zielgerichtete Werbung nutzbar zu machen.

 

 

 

Mit Hilfe von Algorithmen werden persönliche Datenprofile erzeugt, die auf der Analyse der gesammelten Nutzerdaten beruhen. Sie stellen „digitale Schatten“ von Personen dar, die auf der Auswertung von Verhaltens-, Bewegungs- und Beziehungsdaten, Gewohnheiten, Wünschen und Vorlieben, Interessen und Meinungen sowie Eckdaten des Lebensverlaufes basieren. Erst diese Datenprofile ermöglichen es, dass Personen gezielt mit individuell zugeschnittener Werbung angesprochen werden können. Hat zum Beispiel ein Nutzer eine Vorliebe für Polohemden, kann dies anhand seines Surfverhaltens festgestellt und in einem Datenprofil verzeichnet werden. Die Daten aus dem Datenprofil können dann genutzt werden, um ihm im Netz zielgerichtet Werbung zu Polohemden anzuzeigen. Die Kenntnis über eine entsprechende Zielperson ist auf Basis des Datenprofils mittlerweile so genau, dass für sie passende Werbebotschaften über ihre bevorzugten Kommunikationskanäle vermittelt werden können. Ziel ist es, auf diese Weise Einstellung und Kaufverhalten der Person in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen (Schunert 2015; Wenzel 2016). Dabei ist davon auszugehen, dass dieser Einfluss umso größer ist, je mehr die Inhalte und Formen einer Werbeansprache personalisiert sind.

Noch weiter reicht dieser Einfluss bei den neuen Möglichkeiten psychologisch personalisierter Werbung. Studien haben gezeigt, dass sich Stimmungen und Emotionen aus Texten und Kommentaren der Nutzer, aus geposteten Fotos, Videos oder Tweets sowie aus Daten von Smartphone- oder Smartwatch-Sensoren ablesen lassen. Aus diesen Informationen können z. B. günstige Zeitpunkte geschlossen werden, in denen Menschen besser beeinflusst werden können. Forschungsergebnisse zeigen, dass Werbung – wenn ihre Gestaltung an individuellen psychischen Persönlichkeitsmerkmalen ausgerichtet ist – häufiger angeklickt wird und angebotene Produkte häufiger gekauft werden als bei nicht personalisierter Werbung (Matz, S.C, Kosinski, M., Nave G. & Stillwell, D.J. 2015). Es ist davon auszugehen, dass moderne Formen personalisierter Online-Werbung sich diese Erkenntnisse zunutze machen, um Menschen noch effektiver ansprechen und beeinflussen zu können.

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(1) Vgl. Iske, Stefan; Wilde, Katrin (2018): Online-Werbung aus der Perspektive Jugendlicher. Subjektive Relevanzen, Bewertungen und Überzeugungen. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg: Magdeburg. (Medienbildung – Studien zur audiovisuellen Kultur und Kommunikation, Band 8).


 

Literatur:


Hühnermann, R. (2015). Optimierung digitaler Touchpoints. In: Schwarz, T. (Hg.); Big Data im Marketing. Freiburg: Haufe, S. 177-195. Matz, S.C, Kosinski M., Nave G. & Stillwell, D.J. (2017). Psychological targeting as an effective approach to digital mass persuasion, PNAS November 28, 2017 114 (48), online unter:
https://www.pnas.org/content/114/48/12714; letzter Zugriff: 07.08.2019.

Schunert, N. (2015). Microtargeting – jetzt wird’s persönlich; online unter:
www.content4b2b.de/zielgruppe/microtargeting-
jetzt-wirds-persoenlich/
; letzter Zugriff: 07.08.2019.

Wenzel, J. (2016). Microtargeting: Passgenaue Botschaften; online unter:
www.marketingblatt.com/de/allgemein/microtargeting-
passgenaue-botschaften/
; letzter Zugriff: 07.08.2019.
 

Bildnachweise:

Abb. 1: Studie „Online-Werbung aus der Perspektive Jugendlicher“, 2018
Abb. 2: iStock.com/metamorworks